Freizeit- und Schulungsheim der deutschen Anarchosyndikalist:innen

Politische Symbole

Der Wanderverein Bakuninhütte konkretisiert in seinem Blog, was diese erste Erweiterung umfasste: „Das erste Gebäude mit Küche, Aufenthalts- sowie Schlafraum und Keller entstand.“ Der Ort war auch deshalb anziehend, weil Franz Dessel „eine Schaukel und ein Kettenkarussel“ baute und aufstellte. Da die Belieferung wegen des Zustands der Wege schwierig war, wurde weitergearbeitet. Das Gelände wurde befestigt, gestaltet und bepflanzt.

„Auf Acker und Wiesen entstanden Sitzgelegenheiten, Baumgruppen, Büsche und Blumen wurden gepflanzt, Wege und Beete angelegt. Gedenksteine für den spanischen, libertären Pädagogen Francisco Ferrer, sowie für die in den USA trotz weltweiter Proteste hingerichteten Arbeiter Sacco&Vanzetti wurden errichtet.“

Neben dem Eingang der Hütte stand zudem ursprünglich ein Gedenkstein für Michail Bakunin.

Günter Heym schildert in einem Brief an den Wanderverein Bakuninhütte aus seiner Erinnerung ein anderes gestalterisches Element, ein Symbol des Antimilitarismus. „Das Gartentor war mit einem steinernen Bogen überbaut. Auf dieser bogenförmigen Überbauung wurde in Form eines Halbreliefs, dargestellt, wie zwei Hände ein Gewehr zerbrechen.“ (Richarz, 56, Fußnote 56).

Richarz zählt diese Elemente auf, um zu verdeutlichen, dass die Syndikalisten trotz ihrer Offenheit für die Stadtbevölkerung darauf achteten, dass man den politischen Charakter des Projekts erkennt. Ein weiteres Element, das dieses bekräftigt ist die Tafel samt Stern und Hüttenspruch.
Der Spruch stammt, laut Scherer, von Max Baewert (Scherer, 45). Richarz dagegen erwähnt in einer Fußnote, dass nach Rudolph Dressel Fritz der Bruder von Max Baewert Urheber des Verses gewesen sein soll (vgl. Richarz, 62, Fußnote 52). Der Wanderverein nennt ebenfalls Max als Dichter des Verses.

„Die Tafel war weiß mit schwarzer Äderung und die Schrift in schwarz eingelassen. Im oberern Teil der Tafel war der Fünfstern mit Hammer und Sichel eingemeißelt und getreu unserer Weltanschauung schwarz mit goldenem Rand.“ (Scherer, S. 45) Genauer beschreibt der Wanderverein die Symbole: „Für den Spruch selbst wählte er [Heinrich Walz] eine geradlinige, klare, schnörkellose Schrift. Darunter verzierte er die Tafel mit zwei Symbolen der Arbeiterbewegung: Stern mit fünf Zacken und in seiner Mitte: Hammer und Sichel mit goldenem Rand.“ Warum Hammer und Sichel bei der Reproduktion der zerstörten Orginaltafel fehlen, wird vom Verein nicht erklärt – zumindest habe ich nichts dazu gefunden.


Dies ist umso bedauerlicher, als die Kombination von Hammer und Sichel im schwarzen Stern eine ungewöhnliche Kombination ist. Möglicher-weise ist dies eine Hinweis auf die eigene Vergangenheit (1920-1925), an die Landwirtschaft betreibenden Arbeiter:innen, galt Hammer und Sichel in der UdSSR doch als Hinweis auf das Bündnis von Arbeiter:innen und Bäuer:innen und deren Aufgehen in eine klassenlosen Gesellschaft. Die Symbolik könnte aber auch auf die „Siedlungsprojekte im Sinne Landauers sogenannten Verwirklichungs-Sozialismus“ (Richarz, 60, vgl. Landauer: Sozialismus und Genossenschaft) verweisen, immerhin hieß der 1927 neu gegründete Verein „Siedlungsverein für gegenseitige Hilfe“ (ebd.). „Zwar gibt es keine direkten Nachweise, es ist jedoch davon auszugehen, dass die Mitglieder der Meininger FAUD-Ortsgruppe genau jene Gedanken von Landauerr aufgriffen und umzusetzen versuchten, als sie von 1920 bis 1925 Selbstversorgung praktizierten.“ (Richarz, 60)

„Jetzt gründete man einen eingetragenen Verein mit dem Namen „Siedlungsverein für gegenseitige Hilfe.“ Dort waren nicht mehr nur FAUD-Genossen, sondern auch, sondern auch Sympathisierende aus der Bevölkerung Mitglied, welche dieser Hütte bis zu ihrem Ende treu zur Seite standen.“

(Scherer, 44).

Dieser Verein wurde Januar 1927 offiziell im Vereinsregiester ein-getragen, wurde Besitzer des Grundstücks und stellte im August 1927 (Richarz, 60) den Bauantrag, der bereits vorher einmal von der Stadtverwaltung (Scherer, 45) bzw. dem Kreis-Bauamt (vgl. Richarz, 60, Fußnote 42) abgelehnt worden war, neu. Nach einem Jahr hatte der Verein Erfolg, die bereits durchgeführten Bauarbeiten wurden genehmigt. Der Verein wartete jedoch nicht auf den Verwaltungsakt, sondern feierte bereits an den Pfingsttagen, 27./28. Mai, des Jahres 1928 die Einweihung der Hütte (ebd.).

Ein weiterer Ausbau der Hütte, der 1931 begonnen wurde, konnte wegen der Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht mehr beendet werden. Überlegungen, wie die Erweiterung gestemmt werden sollte, gab es schon. „Zur Finazierung des Unterfangens wurde ein „Stocknagel“ und eine sogenannte Baufondskarte entworfen und in mehreren Artikeln diverser syndikalistischer Organe zu deren Vertrieb aufgefordert.“ (Richarz, 65) Fritz Scherer war es wiederum, der neben anderen die Nägel über die Zeit des sog. 3. Reichs rettete „oder danach von alten FAUD-Mitgliedern eingesammelt, darunter auch das Hüttenbuch der Bakuninhütte, das er als Buchbinder selbst aufgebunden hatte.“

„Ich nahm lediglich drei Stockbeschläge aus dem Kistchen heraus und steckte einige Bücher ein, die Fritze mir aufdrängte. Wenige Jahre später starb Fritz und sein Nachlaß wurde in alle Winde zerstreut – niemand weiß etwas Genaues. Immerhin sind so einige historische Stocknägel erhalten geblieben. So kam der Wanderverein Bakuninhütte e.V. zur Vorlage für die “neuen” Stocknägel. (Ralf G. Landmesser)“ (Herv. i.Org.)

Stochnagel am Stock
Quelle: Bakuninhütte 1932 , (© bakuninhuette.de)

Mail-Austausch mit Kai Richarz für die AG Geschichte der Bakuninhütte vom 2. und 3. Oktober

K.A.: Sowohl Fritz Scherer als auch Sie, der Verein, schreiben auf ihrer Internetseite über den Stern auf der Hüttenspruch-Tafel:„Darunter verzierte er die Tafel mit zwei Symbolen der Arbeiterbewegung: dem Stern mit fünf Zacken und in seiner Mitte: Hammer und Sichel mit goldenem Rand.“) Auf meinen Fotos der Tafel und auch auf anderen im Netz ist Hammer und Sichel nicht zu sehen. Wurde darauf verzichtet? Wenn ja, würde mich interessieren aus welchem Grund?

Kai Richarz: „Ja, bei der Rekonstruktion der Hüttenspruchtafel (im Jahr 2015?) wurde bewusst auf dieses Detail verzichtet. Die damalige Argumentation gegen dieses Symbol bezog sich auf die heutig gängige Assoziation dieser Symbole mit dem autoritären Flügel der Arbeiter:innenbewegung, dem Bolschewismus, von dem sich insbesondere im Postanarchismus viele Personen distanzieren.

Allerdings haben wir seither einige Rückmeldungen bekommen, dass es schade sei, in dieser Frage nicht historisch authentisch rekonstruiert zu haben. Darum gibt es Überlegungen, dies zu in einer geeigneten Form zu thematisieren und die historischen Symbole zu kontextualisieren.“

KA: Die Symbolik ist für Anarchosyndikalisten, gerade wenn man Bakunin so zentral hervorhebt, doch eher ungewöhnlich, oder? Ist dies denn tatsächlich als Verweis auf die UdSSR gedacht gewesen?

Kai Richarz: Nein, ich gehe nicht davon aus, dass die Symbolik als Verweis auf die UdSSR gedacht war. Hammer und Sichel standen einfach symbolisch für die großen unteren Bevölkerungsschichten (oder -klassen): Arbeiter und Bauern. Und diese galten in den führenden sozialistischen Strömungen auf Grund ihrer Betroffenheit von Ausbeutung als das revolutionäre Subjekt, auf das man setzen musste um gesellschaftliche Veränderungen herbei zu führen. Ein Bekenntnis zur politischen Form der Revolution nach bolschewistischem Vorbild war dies vermutlich nicht.

KA: Im Netz gibt es viele Fotos der Hütte, aber erstaunlicherweise habe ich nur eines vom Bakunin-Gedenkstein gefunden. Auf dem Foto sieht es aus, als wäre er im Rahmen einer Ausstellung präsentiert worden. Er gehört doch zum Kulturdenkmal?
Kai Richarz: Ja, der Gedenkstein gehört explizit als Einzelobjekt auch zum Kulturdenkmal seit 2015. bisher haben wir ihn nicht an einer geeigneten Stelle passend aufstellen können. Dies wartet noch auf Umsetzung.

Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert